Gehört: Stimme von Kaltenberg

Der Schauspieler und Sprecher Johannes Steck ist „die Stimme von Kaltenberg“. Beim Kaltenberger Ritterturnier 2022 fungierte er wiederholt als Erzähler und Sprecher sämtlicher männlicher Figuren. Hinzu kam in diesem Sommer eine sportlich-schauspielerische Einlage, für die er lang trainierte. Für einen Artikel im Landsberger Tagblatt gewährte er mir im größten Trubel während der Turniersaison ein Interview in seinem Tonstudio auf Schloss Seefeld.

„Ich rauche nur während Kaltenberg“, sagt Sprecher und Schauspieler Johannes Steck, seit Jahren die Stimme des Ritterturniers. „Meine Familie hasst es.“ Die Aufregung in dieser Phase sei einfach zu groß, sagt er entschuldigend, und er selbst an den Vorstellungstagen nicht mehr auszuhalten. Deshalb ist er an den acht Turniertagen bereits vier Stunden vor Vorstellungsbeginn in Kaltenberg, um den Text zweimal durchzulesen und sich auf seinen Auftritt vorzubereiten. Johannes Steck ist nicht nur Erzähler. Er leiht allen männlichen Figuren seine, aber eine jeweils eigene, charakteristische Stimme – eine Technik, die für ihn als Hörbuchsprecher nicht ungewöhnlich ist. Anders als im Tonstudio jedoch bleibt er nicht an einem Platz, sondern bewegt sich zwischen Arena und verschiedenen anderen Posten wie dem Königstor.

Herausfordernd wird es, wenn er als Balthasar zusammen mit Sewalt auf der Bühne steht und für beide spricht, was das Publikum selbstverständlich nicht merken darf. Im aktuellen Stück „Der Feldherr des Königs“ kämpfe er zudem, sagt Steck. Für den Stockkampf mit einem zwei Meter langen Stab trainierte der Schauspieler monatelang. Und: „Zweimal muss ich sogar singen.“

Trotz Textbuch ist oft Improvisation gefragt, etwa wenn ein Pferd bockt und das Publikum nach Anweisungen aus der Regie einige Minuten hingehalten werden muss. „Eine meiner Hauptaufgaben ist es, das Publikum zum Jubeln und Buhen zu motivieren oder zu befragen“, sagt der 56-Jährige mit den strahlend-hellblauen Augen. „Ich muss sehr wach sein und immer genau hinschauen, was passiert.“ Beim Tjosten, dem Lanzenkampf zwischen zwei Reitern in voller Rüstung, „muss ich alles so kommentieren, dass es dem Zuschauer nie auffällt, wenn wir einen Fehler machen“. Das Ritterturnier ist körperlich anstrengend und äußerst schweißtreibend. „Ich verliere pro Show zwei Kilogramm Gewicht“, sagt Steck. Umgekleidet „in Zivil“ mischt er sich nach der Vorstellung vor allem an den Freitagabenden gern unter die „Gewandeten“ – so heißen die Besucher in mittelalterlichen Kostümen – um Kaltenberg-Luft zu atmen.

Nach einer Ausbildung und Tätigkeit als Theatermaler wechselte Johannes Steck im Alter von 22 Jahren auf die Bühne. Er besuchte die Schauspielschule in Wien und hatte zahlreiche Theaterengagements. „Dabei habe ich meine Liebe zum Sprechen entdeckt“, sagt er. Als Schauspieler kennt man Johannes Steck aus der Fernsehserie „In aller Freundschaft“, in der er fünf Jahre (bis 2006) den Arzt Dr. Achim Kreutzer verkörperte. Laut Drehbuch trifft der Mediziner seine Jugendliebe wieder, rettet ihr durch eine Operation das Leben, folgt ihr nach Chile – und spielt damit für den Fortgang der Serie keine Rolle mehr.

Vom Schauspieler zum Sprecher

Mit „Long John Silver“ produzierte Steck sein erstes Hörspiel mit 30 Sprechern, und machte sich als Hörbuchproduzent und Sprecher selbständig. „Wir nahmen dafür eigenes Geld in die Hand, das sollte man eigentlich nicht machen“, sagt er. Der Verkauf der Produktion an den Bayerischen Rundfunk im Jahr 1998 spülte das Geld glücklicherweise zurück, das Projekt war refinanziert. „Als Schauspieler war ich sehr bekannt, als Sprecher noch nicht“, erzählt Steck. Das Projekt war eine gute Werbung. Gepaart mit seiner Einstellung „Ich mache alles“ wurde er schon bald zum gefragten Sprecher, mittlerweile mit sechsmal Gold, zweimal Platin und anderen Preisen wie dem „Hörkules“ ausgezeichnet. Sein erfolgreichstes Hörbuch ist „Die Chemie des Todes“ von Simon Beckett. Steck sagt: „Ich möchte nur noch mit Leuten zusammenarbeiten, die ich mag.“ Er habe das Glück, sich das aussuchen zu können. Bekannt ist er als Erzähler der ???Kids-Hörspiele, die auch seine eigenen Kinder gern hörten, verschiedener Hörbücher nach Romanen von Ken Follett oder Simon Beckett. Was ist ihm das Wichtigste an Hörspielen für Kinder? „Dass man sie auch als Erwachsener auf einer langen Autofahrt ertragen kann“, sagt er. Sich selber sprechen zu hören, finde er schwer. „Aber bei den ???Kids habe ich mich daran gewöhnt.“

Das Tonstudio betrieb Johannes Steck anfangs im Hobbykeller der Doppelhaushälfte in Hechendorf, die er mit seiner damals noch kleinen Familie bewohnte. „Meine Frau hatte Mühe, die Kinder aus dem Wohnzimmer darüber herauszuhalten, wenn ich gearbeitet habe“, erinnert er sich. „Denn es hat unten schon gepoltert.“ Schließlich, vor zehn Jahren, der Umzug in „die hochherrschaftlichen Räume“ auf Schloss Seefeld, in denen sich das Tonstudio jetzt befindet. Seine weiter gewachsene Familie, sechs gemeinsame Kinder und eine Tochter aus einer früheren Beziehung, bewohnt jetzt ein altes Bauernhaus in Hechendorf, das mittlerweile zur Heimat wurde.

Mit dem Regisseur Alexander May verbinden Johannes Steck zahlreiche gemeinsame Projekte wie die Fantasy-Show „Die Zwerge“, 2014 in der Arena zu Kaltenberg aufgeführt. Sie war letztlich der Zünder für das Engagement als Sprecher durch Heinrich von Bayern. „Es war überraschend und großartig, dass er mich gefragt hat, ob ich das machen möchte“, sagt er strahlend. So übernahm Johannes Steck die Sprecherrolle gemeinsam mit Roman Roell, 2015 war er alleiniger Sprecher, und ist es nach einjähriger Pause (2016) seit 2017 wieder.

Ein Sprecher müsse sich die Figuren und Situationen vorstellen, sie vor Augen haben, um „Kino im Kopf“ bei den Zuhörern zu erzeugen, sagt der Profi. Die Werkzeuge dafür gibt Steck auch in Seminaren und Coachings weiter, die in seinem Tonstudio stattfinden. Das Studio vermietet er auch, wie im Sommer 2022 an Max von Thun. Regelmäßig liest Gert Heidenreich auf dem Schloss Hörbücher ein.

Der Originaltext  von Ulrike Reschke erschien am 30. Juli 2022 im Landsberger Tagblatt. Er ist urheberrechtlich geschützt. Er darf weder ganz noch auszugsweise von Dritten verwendet oder kopiert werden.