Eishockey: Die Haudegen sind ruhiger geworden

Drei Burschen vom kleinen Weßlingsee spielten 1956 als Eishockey-Nationalspieler für die Bundesrepublik. Mehr als 50 Jahre später sitzen sie wie damals mit ihren Kameraden vom Eishockeyverein SC Weßling im “Café am See” zusammen.

Die Reportage über das Treffen der alten Herren und ihre Erinnerungen an eine sportliche Zeit erschien im Lifestyle-Magazin Schlossallee Fünf-Seen-Land. 

Der Weßlingsee ist bekannt für seine winterlichen Freizeitqualitäten. Schneller als die Nachbarseen friert er dank seiner geringen Größe und windgeschützter Buchten im Winter regelmäßig zu. Schlittschuh laufen, Eisstock schießen, Spaziergänge über den See und Eishockey spielen haben hier Tradition. Ab 1936 hatte Weßling mit damals 800 Einwohnern einen eigenen Eishockeyverein, war in Bayern der einzige Bundesliga-Verein, der auf Natureis spielte und trainierte, und stellte ab 1956 Spieler für die deutsche Nationalmannschaft.

Wie vor 50, 60 Jahren sitzen die ehemaligen Nationalspieler Alfred Riedl, Roland von Rebay und Manfred Schneider mit Hans Buchner, Armin Hasler und Dieter Kuhfuß im „Café am See“ zusammen. Sie erzählen von ihren wilden Zeiten als Eishockeyspieler in der Nachkriegszeit – von den frühen „Gehversuchen“ auf dem Weßlingsee, von ihren Erlebnissen im Nationalteam und davon, dass viele ihrer Sportkameraden bei den Treffen schon nicht mehr dabei sind.

Witsche

Für den Nationaltorhüter Willi Witsche Edelmann errichtete Teamkamerad Manfred Schneider beim ehemaligen Natureisstadion Weßling ein Denkmal.

Die „alten Haudegen“ sind heute weit über 70. Einige spielen Golf und fast alle schieben im Winter Eisstock auf dem gefrorenen See. Sportlich aktiv sind sie bis heute, und ihre Kameradschaft besteht noch immer. „Weil wir so viele unterschiedliche Typen sind“, meint Manfred Schneider, der im original schwarz-gelben Mannschaftspulli der 50er Jahre erschienen ist, und ergänzt, dass alle bis auf einen von der selben Hebamme auf die Welt gebracht wurden. Von früher Kindheit an schweißte sie die Leidenschaft für den Eissport zusammen. „Jeden Nachmittag nach der Schule sind wir aufs Eis“, sagt Alfred Riedl, „wir konnten mit sechs Jahren Schlittschuh fahren“. Und Hans Buchner ergänzt: „Wir waren immer Bauernbuam und immer waren wir mit dem Eis verwandt.“…

Nach dem Krieg musste eine komplett neue Mannschaft zusammengestellt werden, viele junge Männer waren gefallen. Ab 1950 spielte Weßling in der Landesliga. 1953 stieg der Verein in die höchste deutsche Spielklasse, die Oberliga, auf. Die Mannschaft trainierte im Münchner Prinzregentenstadion und fuhr zu Spielen nach Füssen, Garmisch, Bad Tölz, Düsseldorf, Krefeld, Mannheim und Bad Nauheim.

In der obersten deutschen Liga, die zunächst Oberliga und später Bundesliga hieß, spielten die Weßlinger ohne Mundschutz und Helme wie damals üblich. Auf Natureis waren die „Naturburschen“ klar im Vorteil gegenüber den Vereinen aus Düsseldorf, Hamburg oder Mannheim, die bereits auf Kunsteis trainierten und spielten. Das Sommertraining bestand aus Läufen um den See, Konditionstraining im Saal des Gasthauses zu Post oder Handball. Ihre Spiele waren nicht nur Kämpfe um Tore und Punkte, sondern auch um Anerkennung durch die finanziell besser gestellten großen Vereine.

Vier Jahren in der Oberliga
Vier Jahre hielt sich der S.C.W. durch Kampfgeist und Kameradschaftswillen in der Oberliga, Weßlinger Spieler wurden in die A und B Nationalmannschaft berufen.
Torhüter Willi „Witsche“ Edelmann, dessen Bruder Anton und Hans Schneider spielten in der A-Nationalmannschaft. Thomas Schaberer, Raimund Ressemann, Albert Dellinger, Paul Jakob, die Brüder Hans und Manfred Schneider, Ludwig Bichler, die Brüder Alfred und Josef Riedl sowie Roland von Rebay traten als B-Nationalmannschaft im März 1956 gegen Jugoslawien an und beendeten die Partie mit 5:5.

Zunächst hatte man auf dem gefrorenen See trainiert und gespielt – mit einer Bande aus rund 15 Zentimeter breiten Brettern sowie aus Maschendraht und Holz selbst gebauten Toren. 1948 legten die Weßlinger Eishockey-Spieler mit Hilfe der amerikanischen Besatzer in einer ehemaligen Kiesgrube, an der Stelle der heutigen Tennisplätze, am östlichen Seeufer ein Eisstadion an. Bis zu 3800 Zuschauer kamen in die Arena, um die Eishockey-Matches zu sehen. Das Eis war stets selbst gemacht: Auch als Bundesligisten rückten die „Bauernburschen“, wie sie der Eishockeykommentator Sammy Drechsel respektlos bezeichnete, mit Skiern an, um den Schnee zu plätten und beregneten nachts die Fläche.

Später war Dieter Kuhfuß für das Eis zuständig. Er stieß 1962 zum Verein und engagierte sich als Funktionär, Betreuer und Jugendtrainer. „Der Kuhfuß hat uns ein Eis hingezaubert, das war traumhaft“, erinnert sich Manfred Schneider…

1986 schloss die Abteilung Eishockey
Nach 1956 – abgestiegen, weil Stadt und Landkreis Starnberg kein Kunsteisstadion errichteten – spielte der S.C. Weßling erfolgreich in der Natureisliga und errang wichtige Titel mit der Jugend. Einige Jahren fuhren die Weßlinger noch zum Training nach München, Landsberg oder Buchloe – zu den einzigen freien Eiszeiten bis Mitternacht, doch die Talente wanderten ab und 1984 musste die Abteilung Eishockey den Betrieb einstellen.
Ulrike Reschke / res

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Erschienen in Schlossallee Fünf-Seen-Land, 01/2011