Im Juli 2023 hat sich die Stadt Landsberg am Lech nach vierjähriger Pause für einige Tage in eine farbenfrohe Kulisse für ein fröhliches Kinderfest verwandelt: das Ruethenfest. Das Fest wird seit 1647 gefeiert und findet im Vier-Jahres-Rhythmus statt. Rund 1000 Kinder stellen die Geschichte der Stadt dar – freudige sowie schreckliche Ereignisse. Im Portrait: die Landsknechte mit ihrem Lager am Sandauer Tor. Das gibt es seit 40 Jahren.
„Einmal Landsknecht, immer Landsknecht“, heißt es bei dem bunten Haufen mit der schwarz-gelben Fahne. Mädchen und Jungen zwischen zehn und 14 Jahren mimen Marketenderinnen, Soldaten oder Fahnenschwinger. Die Kostüme der Landsberger Landsknechte sind über die Jahrhunderte gleich geblieben. Mit ihren bunten Gewändern und den verschiedenfarbigen Strümpfen setzten sich die mittelalterlichen Söldner, „ein aufmüpfiges Völkchen“ (wie ihr Chef Matthias Müller sagt), durch ihren alternativen Look optisch von anderen Soldaten ab.
2023 steht bei den Landsknechten ein internes Jubiläum an : Sie schlagen seit genau 40 Jahren ihr Lager vor dem Sandauer Tor auf. Innerhalb eines Tages werden das Küchenzelt, drei Mannschaftszelte und ein Ankleidezelt aufgestellt, das Holzlager gefüllt und Strohballen drapiert sowie der Toilettenwagen gut getarnt platziert. Einen Plan gibt es nicht, aber immer jemanden, der wisse, wie das Küchenzelt stehen oder wo wie viele Holzpfosten eingeschlagen werden müssen. Das alles gelinge nur dank vieler ehrenamtlicher Helfer, sagt „Landsknechtschef” Matthias Müller.
Mitte Juni begann die heiße Phase der Vorbereitungen: den Lagerbestand sichten, schadhafte Requisiten ausbessern oder erneuern, Verpflegung und Getränke organisieren. Vor einem Jahr schon wurden die Strohquader bestellt, die unter anderem als Sitzgelegenheiten das Flair im Landsknechtlager ausmachen. „Die macht ja kaum ein Bauer mehr“, sagt Matthias Müller und behält seine Quelle wohlweislich für sich. Eine Herausforderung stellt heuer der Buchsbaumzünsler dar, der fast das gesamte Dekogrün für die Leiterwagen vernichtet hat, die für den Umzug am Samstag und Sonntag geschmückt werden sollen.
Das gastronomische Konzept
Für Daniela Schmid ist das Landsknechtlager von Kindesbeinen an „gelebte Realität“. Sie sei hineingerutscht, als ihre Eltern Erika und Peter Hartmann es in der heutigen Form gründeten. Als ältestes der vier Lager geht es zurück auf ein Biwak der Landsknechte auf dem Hauptplatz 1950, von dem alte Fotos zeugen. Daniela Schmid kümmert sich um die Marketenderinnen, ist hauptverantwortlich für die Verpflegung der heuer 139 jungen Landsknechte und ihre 26 Betreuenden. Bis eine Gastro-Spülmaschine angeschafft wurde, sei sie den ganzen Tag mit Spülen beschäftigt gewesen, erzählt sie. Jetzt dreht sich ihr Tun und das ihrer Helferinnen vorwiegend um das, was auf den Teller kommt. „Das beginnt mit 70 Semmeln, die wir morgens schmieren, und geht über das Mittagessen und Snacks wie Gemüse und Obst bis zum Abendessen“, erzählt sie. Das Gulasch wird – wie früher – in einem großen Kessel erhitzt, Würstchen und Fleisch in einer riesigen Pfanne gebraten. Neben den traditionellen Speisen gibt es inzwischen auch Vegetarisches. Ein neues Konzept gilt coronabedingt für die Wasserversorgung beim Umzug. „Früher haben alle aus einem Becher getrunken“, sagt Daniela Schmid. Heuer wird jedes Kind seine eigene Blechtasse dabeihaben.
Ein Tag statt zwei
Neu ist 2023, dass die insgesamt 139 Landsknechte und Marketenderinnen auf zwei Gruppen verteilt jeweils nur eine Nacht im Lager übernachten – es sind zu viele Kinder. Am Vorwochenende fand das Lagerleben nur tagsüber statt. Während der Woche sind Kindergartengruppen und Schulklassen zum Schnuppern eingeladen, um ihnen zu zeigen, was sie, auch altersbedingt, in vier Jahren erwartet.
Zur Unterhaltung werden Spiele geboten wie der Kissenkampf auf einem Balken, Wurfkugeln oder Pfeil und Bogen sowie Geschichten erzählen am Lagerfeuer. Wer sich dennoch langweilt, darf Wache laufen oder den gefangenen Schweden in seinem hölzernen Käfig bewachen. Höhepunkt ist für alle – auch für die Erwachsenen – der legendäre Schwedenüberfall am Freitag. Trotz ihrer historischen Rivalität sprechen sich heute die Leiter der einzelnen Lager – Landsknechte, Panduren, Schweden und Kaiserlicher Zug – ab. Es soll nicht wieder vorkommen, dass jemand mit viel Geschrei und Beherztheit ein leeres „feindliches“ Lager stürmt und eine herbe Enttäuschung erlebt. Der Überfall wird schon fast professionell inszeniert – mit Pyrotechnik und Knallkörpern. Zur Belohnung wird Eis gereicht. „Wir pflegen eine feindliche Freundschaft“, sagt Müller über das Miteinander.
Der Lohn fürs Ehrenamt
„Das Schönste ist, wenn wir die Kinder am Sonntagabend mit einem Strahlen in den Augen aus dem Lager entlassen können, und es ist nichts passiert“, sagt Matthias Müller. Denn der Lagerplatz am Sandauer Tor hat seine Tücken: Nördlich fließt der Mühlbach vorbei, viel Stroh und Feuer könnten eine brandgefährliche Kombination bilden. Für die Waffen gibt es strenge, stetig gepredigte Anweisungen: „Lanzen senkrecht halten, Lanzen in den Lanzenständer, Schwerter in den Waffenkorb.“ Ein Elternabend soll helfen, besorgte Gemüter zu beruhigen.
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