Bikes: Liebe und Leben. Multikulti.

„Der bayerische Türke“ nennt er sich selbst – und als solcher ist Mustafa Kaya, genannt Mussi, auch bei seinen Kunden bekannt. Räder und Radfahren sind seine Leidenschaft – und die machte er schon früh auch zum Beruf. Gegen den Willen seines 2012 viel zu früh verstorbenen Vaters, der zu ihm sagte: „Ein Türke macht was mit Autos.“ Heute bildet Kaya zwei Azubis aus und siedelte kürzlich um in einen neuen, größeren Laden mit Werkstatt.  Der inzwischen 36-Jährige lernte nicht etwa „was Gscheids“ (aus Sicht seiner Eltern), sondern ergriff den Beruf des Zweiradmechanikers. Kaya ist in Herrsching geboren und aufgewachsen, spricht fließend Bayerisch und „tut, was er liebt und lebt“. „Vom Zero zum Hero“ ist sein Credo, in sozialen Netzwerken ist er als #selfmademan unterwegs. Sein Werdegang sei gelungene Integration, sagt der Gastarbeitersohn. Nach der Ausbildung zum Zweiradmechaniker („Ich wusste gar nicht, dass man das lernen kann.“) arbeitete Kaya als Angestellter in verschiedenen Münchner Motorradwerkstätten, und bildet seitdem aus.

Am Motorrad lerne man „das feine Schrauben“, sagt er. Ein Innungssieger und ein Kammersieger seien aus seinen Azubis hervorgegangen. Im April 2016 eröffnete er seinen Laden in Herrsching, nachdem er zuvor vier Jahre als frisch gebackener Meister in seiner eigenen Kellerwerkstatt Radl repariert hatte. Sein Ansporn war, „den Leuten zu zeigen, was ein ordentlicher Service ist“. Im November 2021 zog er ein paar Ecken weiter in die Heinestraße 3 in größere Räume, die er selbst mit Holz aus einem alten Stadl im Hüttenstil gestaltet. 2020 lief bombig, dank Corona verkaufte Mustafa Kaya so viele Räder und Zubehör „wie noch nie“, das Hauptgeschäft sind mittlerweile E-Bikes, auch ist er „Giant Authorized Dealer“ und hat Marken wie Husqvarna oder die „Mädelsmarke“ Liv im Angebot sowie Kinder- und extrem leichte Laufräder (von ARX).

Beratung und Reparaturen bietet Bike Life Kaya in der Hochsaison von März bis Oktober ausschließlich mit Termin an, um sich jedem Kunden voll und ganz widmen zu können. Laufend nimmt das Bike-Life-Team an Schulungen teil und besucht Messen, denn „nichts ist schlimmer als Stillstand“. Ob beim Vermessen von Füßen (für Click-Schuhe) oder Kunden-Gesäß für den geeigneten Sattel, für jedes Anliegen nimmt sich Kaya Zeit. Er sieht seine Aufgabe ganzheitlich: „Passen Radl und Fahrer zusammen?“ Bei nichts wird der Kunde allein gelassen: Wer einen Helm kauft, bekommt den Kinnriemen passgenau eingestellt. Beratung und Service werden in dem Bike-Laden groß geschrieben – und von den Kunden geschätzt.

Radl-Enthusiast Mustafa Kaya (Mitte) bildet aus: Jannick Hotze (links) und Emre Buchakcha (rechts)

Die ersten zweieinhalb Jahre betrieb Mustafa Kaya Werkstatt, Laden und Büro allein. Rückblickend wundert er sich, wie er das gestemmt hat. Im September 2021 stellte er den zweiten Azubi, Jannick Hotze, ein. Zusammen mit Emre Buchakcha, der im dritten Lehrjahr ist, sind sie jetzt ein richtiges „Multikulti-Team“, wie Kaya stolz sagt: Jannick mit französisch-deutschen Wurzeln, der Bulgare Emre mit türkischem Background und der am Ammersee in einer türkischen Familie groß gewordene Mussi. Kayas Ehefrau Sylvia kümmert sich um Büro und Laden (und die drei gemeinsamen Kinder), Schwägerin Manuela Neumaier um die Buchhaltung. An der neuen Adresse steht für sie alle viermal so viel Platz zur Verfügung.

Was verkauft wird, wird auch selbst repariert. Damit für den Kunden keine Wartezeiten auf das geliebte und benötigte Bike entstehen, werde nichts weggeschickt, sagt Kaya. „Von Geburt an“ sei er passionierter Radfahrer, wenngleich er es erst im Alter von acht Jahren lernte. Seine erste Fahrt ohne Stützräder endete in einem Ehepaar mit vollen Einkaufstaschen. Von seinem Rad hatte Kaya, der „schon immer gern rumgeschraubt“ hat, den Kettenkasten abgebaut, was ihm eine tiefe Wunde am Knöchel einbrachte. „Das ganze Bett war voller Blut“, sagt er. Seinen Eltern erzählte er aus Angst nichts davon, doch „von dem Tag an war ich zweiradinfiziert“. Mit diesem Virus steckte er auch seine Kinder an, die mit vier und sieben Jahren schon mit den Eltern in den Bergen radeln, während der Einjährige noch als Sozius mitfährt.

Dieser Text von Ulrike Reschke erschien am 24. September 2021 in Wirtschaftsraum Ammersee, einer Beilage des Ammersee Kurier. Er ist urheberrechtlich geschützt. Er darf weder ganz noch auszugsweise von Dritten verwendet werden.